Mittwoch, 25. August 2021


Die kleine Beobachtung

"JA, der hat sich da ein Haus gekauft. In Hiltrup, da an der Marktalle, da geht doch diese Straße rein". Habe ich Lust, Leuten zuzuhören, wo und warum und wie und wer sich ein Haus kauft? NEEEEIIIIN!
Aber auf mich nimmt ja hier keiner Rücksicht. Also weiter. Einer spricht. Zwei Mädels nicken mit den Köpfen, schlecken Eis, schauen nebenbei auf's Handy und steuern ein "Ah, ja ..." bei. Er wieder: "War auch nicht soo teuer. Also 500.000". Eine von den Mädels: "Ja echt? Krass. Geht ja." Er: "Ja, war ja auch mit Grundstück". Sie: "Würd' ich auch so machen".

Die Dreierkombo latscht vor mir her. Maßgeschneiderte Klamotte, perfekte Frisuren, gute Schuhe. Tempo drauf. Lautstärke hoch. Alter? Keine Ahnung, irgendwas zwischen Pampers und erstem Gehalt? Ich bin genervt. Bleibe einfach stehen, nestle an meinen Taschen rum, damit ich mehr Meter zwischen sie und mich legen kann. Das klappt. Ihr Geplapper wird leiser, ich atme auf.

Bin ich neidisch? Will ich auch Klamotte, Frisur, Geld und Haus in Hiltrup ergo mehr Reichtum? Ich weiß es nicht. Ich lass' mal den Film zurückspulen. Zeitlupe.

Ich vor der Kasse im dm. Musste noch rechts ins Regal greifen, Kaffee war aus. Habe mich kurz bei der Frau vor dem Regal entschuldigt. Corona macht ja was mit einem. Sie lächelt mich an: "Danke, kein Problem, dann gehe ich mal zur Seite". Die Dreikombo vor mir crasht die ganze Schlange, guckt recht, geht links, quetscht sich hierhin und dahin, bis man alles zusammenhat. Der Blick an der Kasse geht nicht zur Kassiererin, sondern auf's Handy. Eis lutschend und Smartphone glotzend wird sich vorbeigeschleust. Draußen wird der Knopf am Lautstärkeregler so hochgedreht, dass der ganze Parkplatz weiß, wieviel das Haus in Hiltrup gekostet hat und wie coooool das ist. 

Slo-Motion wieder aus bin ich gar nicht mehr neidisch. Ich weiß noch, wie ich mich höflich anderen Menschen gegenüber zu benehmen habe. Ich weiß auch noch, dass 500.000 umgerechnet 1.000.000 sind. Die konnten wir uns damals nicht leisten, also weder meine Großeltern noch meine Eltern noch ich, und heute auch nicht. Tja, was bleibt jetzt übrig von meiner Beobachtung über Höflichkeit, Bescheidenheit und was weiß ich.

Keine Ahnung, vielleicht, dass Demut eine Frage von Lebenserfahrung ist? Vielleicht, dass ich oft denke, ihr seid nur Wirtschaftsfutter und werdet es auch noch irgendwann merken? Auf jeden Fall glaube ich daran, dass die Welt ein besserer Ort wäre, wären nur alle leiser und höflicher.